Frisch aus der Welt gefischt


Atelier am Eck: Die Welt hängt an seidenen Fäden

Weiss ist die Welt der israelischen Künstlerin Zipora Rafaelov, und beherrscht von Licht und Schatten. Alles beginnt mit dem Zeichnen auf dünnen Multiplexplatten. Feine Umrisslinien gliedern die Fläche und trennen Form vom Umraum. Was zuvor der Bleistift entwarf, vollendet die Säge: Die positive Form wird vorsichtig aus der Fläche geborgen - etwa so, wie man Plätzchen aus einem Teig sticht. Übrig bleiben eine Vielzahl kleiner flacher Laubsägearbeiten in Keksgröße und die durchlöcherte Platte, in der sich die entnommenen Formen in ihrem Negativ, in der Aussparung, weiterhin abbilden.
Einige dieser reliefartigen Holzplatten sind derzeit im Atelier am Eck zu sehen. Mal fest auf einen Untergrund montiert, dann aber wieder mit einem daumenbreiten Abstand zur Wand angebracht, geben sich die ganz in weisse Farbe getauchten Holzgerippe dem Spiel mit Licht und Schatten hin. Je nachdem wie Sonne oder Glühlampe ihre Strahlen über die Oberfläche schicken, entstehen Schatten von verhaltener Farbigkeit, die Positiv und Negativ penibel gegeneinander abgrenzen und den Raum zwischen den Dingen ins Licht rücken.
Und eben dieser Raum ist es, den Zipora Rafaelov auch bei ihren anderen ausgestellten Objekten interessiert. Flache Holzplättchen in Form von Kaffeetassen Ufos, Rüben, Palmen, Autos, Beilen, Pumps und allerlei frisch aus der Welt gefischtem Kram knüpft sie an Fäden und spannt sie in mehreren Reihen oder als kompliziertes Netzgeflecht in Rahmen.

Immer wieder versucht man die skurrilen Nachbarschaften zwischen den Teilchen zu entwirren, aber die Zusammenstellung richtet sich nach formalen Gesichtspunkten, nicht nach inhaltlichen Bezügen. Letztere stellen sich eher ein, wenn der Betrachter poetischen Titel wie „Schwanensee“ liest und sich die eigenen Assoziationsfetzen zu einem erzählerischen Flickenteppich formieren.
Waren die weißen Holztäfelchen zuvor nur einzelne Silhouetten, so definieren sie sich nun in räumlichen Verhältnissen zueinander. Die Schatten verdoppeln das Spiel der perfekt ausgeleuchteten Arbeiten, zaubern eine flächige Projektion des dreidimensionalen Objektes auf die Wand und kehren den räumlichen Effekt kurzerhand wieder um. Konsequenterweise löst sich Zipora Rafaelov bei ihrer jüngsten Arbeit vollständig von der Wand und baut ein Gerüst mitten in den Raum, das mit seiner Bespannung an eine riesige Harfe erinnert. Auch hier ergeben sich Schatten, aber sie sind noch gebrochener, noch diffuser als bei den Objekten, die parallel zur Wand konzipiert sind. Was im Zusammenspiel sichtbar wird, ist eine ornamentale dreidimsionale Struktur frei von jeglicher Gegenständlichkeit.

Atelier am Eck, Himmelgeisterstr 107e, 22./23. September und 6./.7. Oktober 15-17 h.

©Jutta Saum2001

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