Den Tag zur Nacht gemacht


Schaupielhaus: Satte Jazzklänge und bittersüße Kommentare zur Weltlage

In der Welt ist es wie in der Oper, da wird dauernd gestorben und gemeuchelt, konstatieren, die beiden Kabarettistinnen Ruth Schiffer und Barbara Beckmann. Den Damen garantieren sie nicht nur im musikalischen Melodrama einen todsicheren Abgang, sondern kommen zu der makabren Feststellung, dass zumindest beim Thema Sterben in der Wellt immer noch gilt: „Frauen und Kinder zuerst“.
Kein Thema hatte der Autor, Kabarettist und Moderator Jens Prüss vorgegeben, sondern sich gefreut, dass so zahlreiche Künstler zugesagt hatten, am Kabarett-Benefizabend anlässlich der 17. Düsseldorfer-Eine-Welt-Tage ins Kleine Haus des Schauspielhauses zu kommen und aufzutreten. Obwohl die meisten Ausschnitte aus ihren aktuellen Programmen zum besten gaben, entwickelte sich thematisch spontan so etwas wie ein roter Faden.
Etwas trocken begann der Abend zunächst mit der Lesung des Berliner Schriftstellers Hans Christoph Buch, der zwischen seinen Aufenthalten in Krisengebieten wie Ruanda, Indonesien, Afghanistan oder Pakistan gerade eine Verschnaufpause eingelegt hatte. Im Stil eines Kriegsberichterstatters trug er minutiös seine persönlichen Erlebnisse vor, streifte dabei Tolstoi und die klassische Antike, um letztlich seine eigene unbändige Neugierde auf die Welt als Beweggrund seiner Literatur zu enthüllen. Danach gehörte die Bühne den Kabarettisten – auch hier ging’s nicht weniger zimperlich, dafür aber wesentlich humorvoller zu.

TV- und Kom(m)ödchen- Autor Martin Meier-Bode ließ es sich als Vielschreiber nicht nehmen, exklusiv für den Abend ein Fitnessprogramm auf die Beine zu stellen, bei dem man lernen konnte, positiv und locker zu nicken, die Ellenbogen zielgerecht und effektiv einzusetzten sowie hörbar sicher aufzutreten. Gemeinsam mit dem Coretta-Quintett, das auch zwischendurch mit ambitioniertem Jazz für Entspannung sorgte, brachte Moderator Jens Prüss sein Einmann-Oratorium zu Gehör: Ein päpstlicher Alptraum vom Aufstand der Kinder – ein riesiges Heer wälzt sich auf den Vatikan zu – der nach dem Aufwachen in die ernüchternden Enzyklika von 1991 mündet. Mit Krieg führenden Kindern hatte auch Jule Vollmer als berufstätige Mutter alle Hände voll zu tun. Am Handy versucht sie eine Fernschlichtung. Die Kabarettistin aus dem Ruhrpott klärte mit charmant französischem Akzent auf, wie das Böse überhaupt in die Welt gelangen konnte. Eva habe einfach „zu viel Unger auf Neu, und zu viel Durrst auf Wissen gehabt“. Als weiblicher Villon angekündigt, gab’s abschließend ihre „Ode an die Hoden“. Auch Ruth Schiffer und Barbara Beckmann spekulierten in ihrem besinnlichen „Choral in his-moll“ über den Inhalt der männlichen Lederhose. Mit sireneartigem Stimmvolumen, Geige und Bogen bewaffnet und am Klavier sensibel begleitet von Ben Süverkrüp zeigte Tina Teubner umwerfen traurig und komisch zugleich, was es heißt, die Depression seinen besten Freund zu nennen und wie einfach es ist, Krieg mit der verhassten Cousine zu führen.

© Jutta Saum 2001

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