Das Raumrätsel wird zum Spiegel
der komplizierten Seelenlage


Fotografien von Markus Ambach

Warten Vergessen

aus dem Werkkomplex Warten Vergessen 1999-2001
Geheimnisvoll, unergründlich wie eine festgefrorene Szene aus einem melancholischen französischen Film präsentieren sich die fotografischen Arbeiten „Warten – Vergessen“ von Markus Ambach, die die nächsten drei Monate in den Räumen der Janssen-Cilag GmbH in Neuss zu sehen sein werden. Und tatsächlich sind es keine zufälligen Schnappschüsse, die den Betrachter erwarten, sondern poetische Momentaufnahmen, die eher dem klassischen Tafelbild als der Fotografie verwandt erscheinen, denn thematisiert wird das Individuum in seinem Raum. Fenster waren seit der Neuzeit auf der Leinwand immer schon Platzhalter für das Bild an sich, für die Problematik, einen dreidimensionalen Raum auf einer planen Fläche abzubilden.

Fenster und Balkontüren sind auch feste Bestandteile der Arbeiten von Markus Ambach. Er macht sich darüber hinaus ihre Eigenschaft zunutze, daß, wenn man bei Nacht aus einem hell erleuchteten Raum durch sie hinausschaut, sie sich in Spiegel verwandeln. Ausblick und Spiegelbild kollidieren in der Gleichzeitigkeit, Licht knallt auf Dunkelheit und der Ausblick entpuppt sich als Bespiegelung des eigenen Ausgucks.

Isoliert steht der Mensch auf den Fotoarbeiten in einem verwirrenden Raumgefüge, das sich den Gesetzen der Perspektive zu widersetzen scheint. Was sich real hinter der Person befindet, entwickelt sich auf der Spiegelfläche in die gegenteilige Richtung. Rätselnd steht der Betrachter vor den Schwarzweiß-Bildern und versucht vergeblich, das komplexe Gefüge zu entwirren. Es kann auch gar nicht funktionieren, denn Ambach arbeitet mit verschiedenen Belichtungsstufen: Auf ein Negativ nimmt er nacheinander verschiedene Szenen auf. So erklärt es sich, daß der Künstler selbst in verschiedenen Ansichten mehrfach auf ein und demselben Bild erscheint. Ambach ist nicht interessiert an einem homogenen, isotropen Raum, sondern an Brüchen, Sprüngen und Unvereinbarkeiten. Er knüpft damit an die Raumvorstellung der Manieristen an, bei denen der Raum als inhomogen, als zersplittert erfahren wurde.

Das individuelle Erleben wurde analog als eine Collage von Eindrücken geschildert, einzelne Raumsegmente erhielten so ganz wie bei Ambach unterschiedliche zeitliche Zuordnungen, das, was eigentlich nacheinander geschah, ereignete sich nun im Bild gleichzeitig. Nicht von ungefähr erhalten die Bilder dadurch einen erzählerischen Charakter.

Den Ansatz des Fragmentarischen verfolgt Ambach auch bei seinen Arbeiten „Bookshop“. Modell gestanden haben Bücherregale, nachlässig vollgestopft mit den unterschiedlichsten Titeln, die sich beim genaueren Hinsehen oft als Täuschung enttarnen. Cover von nicht existierenden Büchern hat Ambach per Computer entworfen und anderen Büchern übergestülpt. Die entstandenen Aufnahmen zeigen Nachbarschaften, die zeitlich, inhaltlich und ideologisch zu größeren Verwirrungen führen. Andere zeigen Bücher mal locker gestapelt, wild aufgeschlagen oder wie Eisschollen ineinander verkantet. Man kann ahnen, wie mit ihnen gelebt wird und was sie bedeuten.

© Jutta Saum 2001

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