Beziehungsklinsch im Kaiserhaus


Forum Freies Theater: Barocke Oper als moderne Tanzperformance

Man betrügt sich, verletzt sich und die anderen sehen zu, nehmen Anteil und manchmal auch Rache. Zwei Paare verstricken sich im undurchdringlichen Dickicht ihres Beziehungsgeflechtes. Alte Wunden werden aufgerissen, neue hinzugefügt und intime Sehnsüchte, Träume, Wut und Verzweiflung im Blick der rivalisierenden Zeugen offen gelegt. Alles, was man für eine klassische Liebesgeschichte braucht – und noch viel mehr - , bietet die Tanzperformance „Poppäa“, im „Forum Freies Theater“.
Zwar ging es in den Inszenierungen von Claudia Küppers und ihrem „Lalun Ensemble“ , stets um die Verwicklungen zwischen Mann und Frau, aber Männer sah man selten auf der Bühne, eher referierte man in Abwesenheit über sie. Wie bei „Miss Behaviors – her greatest sets“, ihrer letzten Produktion, standen vor allem Rollenerwartungen und Rollenbrüche der Frau im tänzerischen Blickpunkt. Wenn aber Frauen und Männer zusammentreffen, dann gibt es bekanntlich ganz konkrete Probleme. So wählt die Absolventin des Giessener Instituts für Angewandte Theaterwissenschaften als Stoff für ihre zweite Inszenierung am FFT in Düsseldorf eine Beziehungskiste wie sie im Buche steht: die Oper „Poppäa“ von Claudio Monteverdi.

Das opulente barocke Singspiel hat Claudia Küppers in ihrer freien Bearbeitung auf 90 Minuten zusammengekürzt: Die Einteilung in drei Akte und die Szenenfolge wurde übernommen, aber die vierzehn Charaktere sind rigoros auf fünf zusammengestrichen worden:
Diese Poppäa ist nicht vom Pappe. Kein elfenhaftes Wesen, sondern eine ganz lebenslustige Frau, die von der großen Liebe träumt und , wenn es sein muss, auch mal geschickt die Fäden zieht. Schließlich ist es ihre Show.
Aus der aufwendigen barocken Oper Monteverdis ist in der Inszenierung von Claudia Küppers, die gerade in den FFT Kammerspielen auf dem Spielplan steht, eine zeitgenössische Beziehungsgeschichte geworden. Poppäa und Nero sind ein Paar. Aber Ottone hätte es gerne anders.
Er will mit Poppäa über die gescheiterte Beziehung sprechen. Heraus kommt aber nur ein „lass verlass mich lass mich nicht.“ Auch Oktavia verzweifelt daran, dass sich ihr Kaiser eine Neue gesucht hat und spielt mit Mordgedanken. Eine Amorine mit Glitzer-Shirt und Schaumstoffflügeln hat derweil alle Hände voll zu tun, damit der Run nach dem persönlichen Liebesglück nicht in eine Katastrophe mündet.

Die Fernbedienung ist mit das wichtigste Requisit auf der Bühne, denn nicht nur die Musik von der Oper bis zur Italo-Pop-Schnulze wird Track für Track von CD eingespielt, sondern man guckt auch mit Leidenschaft fern. Romanzen dudeln da über den Bildschirm, Liebegeschichten, die die eigene Illusion nähren. Im Fernsehen funktioniert’s im Leben nicht. Poppäa stirbt hier jedenfalls nicht auf dramatische Weise wie in der Oper, sondern langweilt sich höchstens vor der Glotze einsam zu Tode.
Das „ Lalun Ensemble“ mit Gudrun Lange, Norbert Schwillo, Manuela Stüßer, Eric Tepal und Carolina Zimmermann setzt die aufgewühlte Gefühlslage der Charaktere tänzerisch eindringlich um. Da wird gerudert, konstant um eine sichere Position gerungen, von einem Zustand in den anderen geglitten, um doch nur ein momentanes, labiles Gleichgewicht zu finden. Jeder hetzt und rennt seiner Liebe hinterher, kämpft auf seine Weise, aber nichts reicht aus oder beruhigt wirklich – auch nicht die Party, bei der alle mal den DJ machen dürfen und sich kaiserlich amüsieren.

Premiere „Poppäa“ im FFT, Jahnstrasse 3. Weitere Termine: 1.11./2.11./3.11.

©Jutta Saum

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